Am Gymnasium bei St. Michael erlebten vier Mittelstufenklassen einen Vormittag lang, dass Paradies und Albtraum in der Welt von Votes, Likes und Followern nah beieinander liegen.
Yeah yeah yeah Schwäbisch Hall! Drei gut gelaunte Coaches in petrolfarbenen Trainingsanzügen stürmen in die Aula des Schulzentrums Ost, entern die Bühne und animieren ihr junges Publikum zum Aufstehen und Mitmachen: ein bisschen Lach-Yoga, Lockerungsübungen und der Lächel-Contest, dessen Siegerin sofort für Selfies auf die Bühne geholt wird. Diese gehen – ab durch die Handy-Zauberkugel – sofort ins Netz. Pause. Likes checken! Aufsteigen? Übersehen werden? Ablosen?
Die knapp sechzig Jugendlichen im Publikum sind irritiert, drehen sich zu Freunden um, diskutieren, machen sich lustig. Viele von ihnen blicken anfangs nicht brav und ehrfürchtig aufs Bühnengeschehen. Doch genau darauf zielen die Stücke der Projektgruppe „New Limes“ um Pat Mueller aus Schwäbisch Gmünd, die Lehrer Philipp Stein in seiner Funktion als Präventions-Lehrkraft ans GSM geholt hat.
Die seit 18 Jahren agierende Gruppe will nicht nur vorspielen, sondern mobilisieren. Ihre theaterpädagogische Mission ist die Sensibilisierung Jugendlicher für Themen wie, in diesem Fall, Fake-News, Populismus und Hetze, was ein wichtiger Baustein des Präventionskonzepts am GSM ist.
Am vergangenen Dienstag wurde darum mithilfe des Theaterstücks „Fake-Paradise“ gezeigt, wie genau diese Sensibilisierung funktioniert, dass auch bei solch ernsten Themen gelacht werden darf und dass hier Aktion statt Stillsitzen und zuhören gefragt ist. Die Schülerinnen und Schüler wurden dabei zunächst ein bisschen aus ihrer Komfortzone gedrängt: „Ich hätte schon lieber nur bequem zugeschaut“, sagte etwa ein Schüler der 8a im Anschlussgespräch vor den Workshops mit Fachkräften des Demokratiezentrums Baden-Württemberg, in denen die Themen und Geschichten des Stücks aktiv von den Schülerinnen und Schülern aufgearbeitet wurden. Geschichten wie die des scheinbar lustigen Pranks, der nahtlos in rassistische Hasstiraden und Hetze überging, unter maßgeblicher Beteiligung von Lehrern! Oder die des Fake-Accounts auf einer Social-Media-Plattform, der, angelegt zum scheinbar harmlosen Sticheln gegen die Klassenstreberin, letztlich deren Suizid auslöst. Was so formuliert doch etwas nach Sozialarbeiter-Gesprächskreis und abstrakt klingt, war von den vier Darstellerinnen und Darstellern auf eine großartig unterhaltsame und provokante Weise und mit viel Energie präsentiert worden, so dass sie den Jugendlichen auch in den Workshops und darüber hinaus gegenwärtig waren und viel Gesprächsstoff boten.
Am GSM wurden in diesem Jahr die achten Klassen neu gemischt; die Themen Freundschaft, soziales Gefüge, den Platz in der Gemeinschaft finden und selbstverständlich auch die Notwendigkeit des Umgangs mit Konflikten sind für die Jugendlichen alltäglich und omnipräsent. Der Präventionstag und die Möglichkeit, einerseits mit Fachleuten, vor allem aber auch untereinander ins Gespräch zu kommen, wurde sehr positiv aufgenommen.
Und auch, wenn bequemes Stillsitzen zunächst einfacher scheint, sich unbequem einmischen, wenn es in unserer Gesellschaft knarzt, diese Idee wurde von den Jugendlichen mit nach Hause genommen und sorgt sicherlich noch für einige Diskussionen. Ein wirklich tolles Projekt! Herzlichen Dank an das Demokratiezentrum Baden-Württemberg, die Sparkassenstiftung, das Landratsamt Schwäbisch Hall und unsere Elternschaft, die durch die Finanzierung dieses Projekt möglich gemacht haben.