Musikalische Vesper im Advent des Gymnasiums bei St. Michael in der Kirche St. Katharina
Einen emotional berührenden Abend im Advent durften die Besucher in der Kirche St. Katharina erleben. Die „musikalische Vesper im Advent“ ist nun im zweiten Jahr in Folge ein gemeinsames Projekt verschiedener Arbeitsgemeinschaften des Gymnasiums bei St. Michael. Und so entstand aus der Zusammenführung von Musik, Andacht und Theater ein Gesamtkunstwerk, das in allen Bereichen auf einem sehr hohen Niveau überzeugte.
Mit einer festlichen Improvisation über das Lied „Joy to the world“, gespielt von Andreas Knoblich an der Orgel, klang bereits zu Beginn das Motto des Abends an. Aber bis das Titel gebende Lied am Schluss der Vesper gemeinsam gesungen wurde, galt es zu warten. Advent bedeutet „Ankunft“ und damit ist Adventszeit Wartezeit. Dieser Begriff des Wartens durchzog in verschiedenen Variationen den Abend.
Musikalisch wurde der Abend getragen durch die verschiedenen Chöre der Unter-, Mittel- und Oberstufe unter Leitung von Matthias Banasch und Thomas Hartmann mit bekannten Liedern wie „Maria durch ein` Dornwald ging“, „Du lässt den Tag, O Gott nun enden“ und „Adeste Fideles“.
Im Zentrum der Verkündigung – weitgehend verantwortet von Christine Ammermann – stand mit Lew Nikolas Tolstois Volkserzählung „Wo die Liebe ist, da ist Gott“ eine Aufführung, bei der alle Arbeitsgemeinschaften ineinander spielten. Ein kleines, aber feines Orchester (Martin Voronkoff, Andreas Knoblich) samt einem Gesangsduo (Annelena Thier und Florian Mehl) erweiterten die Handlung kommentierend.
Die Handlung der Geschichte ist schnell erzählt: Ein russischer Schuhmacher namens Martin Awdejitsch (Louis Kuschnir) ist voller Schwermut, weil er alles verloren hat, was zu seinem Glück gehörte – seine Frau und seine Kinder. Er ist ein Mensch ohne jeden Wunsch und ohne jede Hoffnung. Auf Anraten eines Mönches beginnt er in seiner Verzweiflung im Evangelium die Weihnachtsgeschichte zu lesen, um zu erfahren, wie er nun weiterleben solle. Wie gerne würde er Besuch bei sich aufnehmen, um Weihnachten nicht alleine zu sein. Darüber schläft er ein. Im Schlaf hört er die Stimme Jesu, die zu ihm sagt: „Du hast dir gewünscht, dass ich dich besuche! Achte morgen auf die Straße, denn morgen werde ich zu dir kommen. Pass gut auf, dass du mich erkennst!“ Und so wartet er sehnsüchtig auf diesen Besuch. Aber keiner kommt an seinem Fenster vorbei, der Jesus sein könnte. Nur der alte Stepanytsch (Simon Baumgartner) schippt frierend Schnee auf der Straße. Diesen bittet er in seine Stube zu einem warmen Tee. Ein heruntergekommenes junges Mädchen (Nicole Ziegler) mit einem Kind auf dem Arm, völlig erschöpft, läuft vorbei. Auch dieser jungen Frau bietet er sein warmes Zuhause an. Aber auch das war nicht der erhoffte Besuch, oder? Weiterhin begegnen ihm in Lea und Lara Hägele ein altes Hökerweib und eine kleine Diebin, deren Streit er schlichtet. Der Schuster Martin hilft, wo er kann. Dennoch bricht er in Tränen aus, weil er glaubt, umsonst gewartet zu haben. Alles doch nur ein Traum? … Mitnichten!
Diese Szenen der jungen Schauspieler wurden so anschaulich und lebensnah dargeboten, dass sie einerseits das Publikum zum Lachen und Mitklatschen brachte – tranken doch der Schuster Martin und Stepanytsch ordentlich Wodka und boten grandiose Tanzeinlagen dar. Und andererseits war das Publikum gerührt, als Martin die selbst geschusterten Schuhe für seine verstorbenen Kinder der armen Mutter mitgab. Die mit Wortwitz versehenen Dialoge, die Verbindung mit der Musik machten den Abend abwechslungsreich. Für die heitere melancholisch russische Atmosphäre sorgten außerdem der Unterstufenchor und die beiden Solisten, indem sie brillant zwischen Meisterwerken von Schostakowitsch, Tschaikowski und russischen Ohrwürmern wechselten. Und hervorragend meisterten die beiden Solisten ihre Gesangseinlagen, was vor solch einem großen Publikum – die Kirche war bis auf den letzten Patz voll besetzt – großen Mut erforderte. Als dann auch noch „Kalinka“ erklang, war kein Halten mehr, das Publikum war vollends begeistert. Spätestens, als mit „Joy to the world“ der wunderschöne Abend gemeinsam singend zu Ende ging, wurde einem jeden bewusst, dass Warten sich lohnt und Weihnachten kommen kann. In diesem Sinne und mit gesegneten Wünschen wurden die Zuhörer in die folgenden Weihnachtsferien entlassen. Beim Hinausgehen waren Worte aus dem Publikum zu hören: „Das hatte Niveau, das war im ursprünglichen Sinne besinnlich, da saß jedes Wort und jede Note und kurzweilig war es obendrein!“