Vortrag von Herrn Dr. Clemens Dirscherl in der Aula des Gymnasiums bei St. Michael vor Oberstufenschülern am 13.12.2017
Vorträge von Herrn Dr. Clemens Dirscherl vor Oberstufenschülern haben bereits Tradition am Gymnasium bei St. Michael. Passend zu den Themen Landwirtschaft und Globalisierung im Fach Geographie erhielten die künftigen Abiturienten einen Einblick in die derzeitige Diskussion um das Ringen von Landflächen auf der Erde – global und regional betrachtet. Nach einer kurzen Vorstellung seines beruflichen Werdeganges, Dr. Clemens Dirscherl ist Agrarbeauftragter der Evangelischen Kirche Deutschlands und Experte für agrarsoziologische Fragen, wurde zur Problematik der Landnutzungskonflikte auf der Erde übergeleitet.
In seinem überaus aufschlussreichen Vortrag, der immer wieder Bezug nahm zur aktuellen Lebenssituation der Zuhörer, erläuterte Dr. Clemens Dirscherl die Frage, inwiefern sind natürliche Ressourcen vorhanden, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren.
Betrachtet man die wachsende Weltbevölkerung, diese wird bis zum Jahre 2050 auf ca. 9 Milliarden Menschen ansteigen, drängt sich in diesem Zusammenhang die Frage nach der agrarischen Tragfähigkeit der Erde auf. Das bedeutet, dass Boden ein knappes Gut der Zukunft ist und damit als Investitions-, Anlage und Sicherungsprojekt gehandelt wird. Es ergibt sich eine Nutzungskonkurrenz für sämtliche Landflächen auf der Erde um die sieben „F`s “, die für „Food“ (Nahrungsmittelproduktion für den Menschen), für „Feed“ (Futtermittelproduktion für die Tiere), „Fuel“ (Energieproduktion) stehen. Außerdem gehen alleine in Deutschland täglich etwa 70 Hektar Land durch Baumaßnahmen und Infrastrukturprojekte (Flächenverbrauch) verloren, was wiederum Auswirkungen auf die Flora und Fauna hat, das heißt zum Rückgang der Artenvielfalt führt. Als siebtes F spielen Rohstoffe, die in der Industrie zur Produktion benötigt werden (industrielle Rohstoffe), eine weitere entscheidende Rolle um die Konkurrenz auf dem Acker.
So viel zu den Fakten. Und in diesem Zusammenhang fiel die von Herrn Dr. Dirscherl aufgestellte Forderung, die die Schüler zum Schmunzeln brachte, die Kirchen zum Erntedankfest mit Wurstkonserven statt mit Getreideähren zu dekorieren. Eine, betrachtet man die Dinge in aller Sachlichkeit, durchaus logische Forderung. Denn, bezieht man den veränderten Life Style der Weltbevölkerung mit ein, was bedeutet, dass heute nicht nur die Europäer und die Amerikaner gerne und viel Fleisch essen, sondern inzwischen der gesamte asiatische Kontinent, dann erschließt sich die Tatsache, warum derzeit 63 Prozent des gesamten Getreideanbaus für Futtermittel verwendet werden. Damit wir Fleisch essen können, wird Getreide angebaut, das dann wiederum zur der Ernährung der Menschen fehlt. Fazit dieser Gesamtbetrachtungen: Würden alle Menschen heute so leben, wie wir es in Deutschland derzeitig tun, bräuchte man bereits heute drei Erden, um die Wünsche aller gleich zu befriedigen. Eine Folge dieses Ringens um Landflächen ist „Land Grabbing“, zu Deutsch „Land Grabschen“. Das bedeutet, dass ein rechtmäßiger oder unrechtmäßiger Erwerb größerer Landflächen durch nationale bzw. internationale Investoren auf der ganzen Welt stattfindet. Investoren, die es sich leisten können, kaufen Land von Verkäufern, die dringend Finanzeinnahmen benötigen.
Nicht nur Wachstumsländer wie zum Beispiel China kaufen zur Sicherung ihrer steigenden Energieversorgung und zur Sicherung ihrer Nahrungs- und Futtermittelproduktion Landflächen im Kongo oder in Sambia auf. Auch innerhalb Europas finden diese Landkäufe statt. Investoren, die es sich leisten können, kaufen in Ländern wie zum Beispiel Rumänien oder der Ukraine wertvolles, dort aber noch wesentlich billigeres, Ackerland auf. Auch innerhalb Deutschlands – auch in der Region Hohenlohe – gehen Investoren auf „Shopping Tour“. Interessieren sich große Investoren für Ackerland, steigen die Preise und Landwirte aus der Region können diese nicht mehr bezahlen.
Wird also die Erde künftig neu verteilt und zwar an die, die zahlungskräftig sind? Im Prinzip kann kaufen, wer finanzkräftig ist, eine geregelte Steuerung von „Land Grabbing“ ist derzeitig nicht in Sicht. Die meisten Maßnahmen, die vorgeschlagen werden, sind auf freiwilliger Basis. Auf die Frage von Schülerseite, wie denn dieses globale Problem zu lösen sei, nannte Dr. Dirscherl drei Schlagworte: Effizienzstrategie, d.h. mit den Ressourcen nachhaltiger umgehen, Schaffung von Substituten, zum Beispiel bedeutet das, bessere Verarbeitungstechniken finden oder die Suffizienz-Strategie, was nichts anderes heißt, als dass jeder von uns seinen meist sehr luxuriösen Lebensstil zugunsten eines bescheideneren überdenken sollte. (Sabine Heidenreich)