In der Kursstufe 1 des Gymnasiums bei St. Michael wird der Seminarkurs „Lernen durch Engagement“ angeboten. Bei diesem Seminarkurs geht es u.a. darum, dass sich die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler sozial engagieren und ein Projekt auf die Beine stellen.
Da ich das Schauspiel liebe, hatte ich mich dazu entschieden, ein Theaterprojekt mit Kindern im Grundschulalter durchzuführen. Seit November 2016 bin ich wöchentlich nach Rosengarten gefahren, um dort zwei Stunden mit theaterbegeisterten Kindern zu verbringen. Zusammen mit Sigrun Kaiser, Leiterin des Jugendhauses, in dem ich meine Proben abhielt, suchte ich auch im Flüchtlingsheim Vohenstein nach Teilnehmerinnen und Teilnehmern für mein Theaterprojekt.
Mir war von Anfang an klar, dass ich ein den Kindern bekanntes Stück spielen wollte, weshalb ich mich für das Märchen „Schneewittchen“ entschied. Das begeisterte die Kinder sehr – und sorgte leider auch für große Enttäuschung: Von den sechs anwesenden Mädchen konnte eben nur eines das Schneewittchen spielen! Schließlich waren doch alle mit ihrer Rolle zufrieden und probten begeistert mit. Von den insgesamt zwölf Schauspielern und Schauspielerinnen, die zu den Proben erschienen, hatten nur zwei deutsche Eltern. Die anderen Kinder haben einen afghanischen, syrischen, türkischen, irischen oder polnischen Hintergrund. Da viele der Kinder erst ein Jahr in Deutschland verbracht hatten, konnten sie die deutschen Texte nicht auf Anhieb meistern. Durch viel Übung, auch zu Hause, konnten letztlich aber alle ihren Text verstehen und verständlich weitergeben. Das freute sie natürlich und motivierte sie, weiterhin ihr Bestes zu geben.
Die einzelnen Proben gestaltete ich so, dass zunächst ein Spiel, das auf das Theater vorbereitet, gespielt wurde und danach das Märchen einstudiert wurde. Am Ende der zwei Stunden war die Konzentration aller Kinder nicht mehr so hoch wie am Anfang, sie waren jedoch alle entschlossen, eine gute Aufführung vorzubereiten.
Mein Projekt fand im Rahmen der Offenen Jugendarbeit statt. Dies bedeutet, dass es keinerlei Verpflichtung für die Kinder gab, bei allen Proben anwesend zu sein. So kam es, dass bei jeder Probe eine unterschiedliche Anzahl von Schauspielern und Schauspielerinnen anwesend war. Selbst bei der Generalprobe fehlten zwei Kinder, bei der Probe zuvor konnte eine der Hauptrollen nicht erscheinen. Nachdem am Vortag ein Junge abgesprungen war, standen schließlich am Tag der Aufführung zehn Kinder gemeinsam auf der Bühne: Schneewittchen musste sich also mit nur fünf Zwergen begnügen.
Am 23.12.2016 waren alle Interessierten eingeladen, sich im Pflegestift Vohenstein das Einstudierte anzusehen. Obwohl es ursprünglich geplant war, dass die Aufführung im familiären Kreis stattfindet, kamen mehr als hundert Zuschauer. Im Saal saßen z.B. Eltern und Freunde der auftretenden Kinder, einige Schüler des Seminarkurses, Bewohner des Pflegestifts und weitere Interessierte ganz unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Herkunft.
Spätestens beim Erblicken des gefüllten Saales ergriff das Lampenfieber die Schauspielerinnen und Schauspieler. Trotz der Nervosität gelang es allen Kindern, ihre Rolle ohne Textpatzer zu spielen. Die böse Königin war so überzeugend, dass ein Baby beim Hören ihres Gelächters sofort zu weinen begann. Das Einmarschieren der Zwerge zauberte ein Lächeln auf jedermanns Gesicht, da sie in ihren Mützen zuckersüß aussahen. Sie überzeugten mit ihrem Einsatz, auch wenn sie nur dasselbe Wort mehrfach wiederholen mussten. Ein Missgeschick war jedoch das Aussetzen des Mikrofons, als die Chefzwergin sprach. Dies führte dazu, dass das Publikum denselben Halbsatz mehrfach zu hören bekam. Als auch diese Hürde überwunden war, spielten alle Schauspieler weiter, ohne von dem Vorfall aus dem Konzept gebracht zu sein. Abgerundet wurde das Stück mit dem halb amüsanten, halb rührenden Antrag des Prinzen, ob Schneewittchen ihn heiraten wolle. Unter großem Applaus verbeugten sich die zehn Künstler schließlich vor dem Publikum.
Mir war klar, dass ich mein Ziel, die Kindern für das Schauspiel zu begeistern, erreicht hatte, als mehrere Kinder glücklich auf mich zukamen und fragten, ob ich nicht weiterhin kommen und noch ein Theaterstück mit ihnen spielen könne.
Sarah Logan, Kursstufe 1, GSM