Als sich Christine Ammermann, Religionslehrerin am Gymnasium bei St. Michael, und die Leiter der musikalischen Arbeitsgemeinschaften (Chor: Matthias Banasch und Orchester: Andreas Knoblich) daran machten, einen gemeinsamen Abend zu gestalten, stießen sie mit ihrer Idee zunächst auf unterschiedliche Reaktionen. Der Grund war: Solch eine Verbindung zwischen Gottesdienst und Konzert in der Kirche St. Katharina hatte es die Jahre zuvor noch nie gegeben. Bisher wurde zwischen Gottesdienst und musikalischen Abenden getrennt. Die Vesper als gemeinsames Projekt zu gestalten war ein „Wagnis“, bei dem nicht sicher war, ob es gelingen würde. Nicht nur Musik und Gottesdienst wurden zusammengeführt, auch der Literatur- und Theaterkurs (Leitung: Myriam Kossak) wurde in dieses neue Experiment integriert und es lässt sich sagen, es wurde ein gelungenes – vor allem ein sehr niveauvolles – Experiment.
Eingeleitet wurde durch das Unterstufenorchester mit einem barocken französischen Tanz von Michael Praetorius, der in Verbindung mit dem Einzug König Davids nach Jerusalem und damit zum darauffolgenden Psalm 24 („Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch!“) gesehen werden kann. Innerhalb des Unterstufenorchesters, das seit seinem letzten Auftritt wieder angewachsen ist, brillierte besonders Amelie Gritzki, die auf der Querflöte einen Zwischenteil solistisch vortrug. Das folgende Adventsspiel des Literatur- und Theaterkurses setzte die Entstehung des Liedes und damit das Motto des Abends „Macht hoch die Tür“ in einer unterhaltsamen Interpretation um. Georg Weissel, der Liederdichter, war im 17. Jahrhundert Pfarrer in Königsberg, einer alten Hanse- und Universitätsstadt, die damals schon ein buntes Völkergemisch beheimatete. Und genau dieses Thema, nämlich die Abneigung mancher Personen gegen alles „Fremde“, brachte Pfarrer Weissel dazu, die Strophen dieses Liedes in sein Gesangbuch einzutragen. Denn mit diesem heute überall bekannten Lied wurden nicht nur die sichtbaren Tore, sondern auch die Türen zu den verschlossenen Herzen geöffnet, so dass in Frieden Weihnachten kommen konnte. Dieses überzeugend vorgetragene Theaterspiel wurde von Andreas Knoblich am E-Piano mit Improvisationen musikalisch begleitet. Anschließend bot der Gesamtchor dieses wunderschöne Adventslied überzeugend dar. Weitere musikalische Stücke ergänzten immer wieder die Predigt und trugen zu der besinnlichen Stimmung des Abends bei. Besonders schön erklang „Rosinkes mit Mandalach“ (Rosinen mit Mandeln), ein traditionelles hebräisches Wiegenlied von Abraham Goldfaden. Im Lied singt eine alleinerziehende Witwe ihrem einzigen Sohn ein Schlaflied vor, das eine positive, beinahe schon apotheotische Zukunftserwartung für den Jungen entwirft.
Beschlossen wurde die Vesper mit einem Gedicht von der großen jüdischen Dichterein Mascha Kaleko, bei dem der letzte Satz lautet: „Ich freu mich, dass ich…dass! ich!“ mich!“ freu!“
In diesem Sinne und gesegneten Wünschen wurden die Zuhörer nach dem Schlusslied „Tochter Zion“ in die folgenden Weihnachtsferien entlassen. Ein „Wagnis“, das sich gelohnt hat zu wagen, welches im Nachhinein viel Lob erfuhr.