Was hat das weltbekannte Foto „La Tondue de Chartres“ mit unserer Region zu tun?

Französischer Geschichtslehrer aus Chartres hält einen fesselnden und leidenschaftlichen Vortrag für die Schülerinnen und Schüler der Kursstufe 1

Am Freitag, den 21. Februar 2020 hat Gérard Leray den Französischkursen der Kursstufe 1 einen interessanten Einblick in die Hintergründe des weltbekannten Fotos und seines Buches zur „La Tondue de Chartres“ gegeben. Zu Beginn zeigte Gérard Leray den Schülerinnen und Schüler ein Bild, welches am Tag der Befreiung Frankreichs, den 16. August 1944, in seiner Heimatstadt Chartres südwestlich von Paris entstand. Darauf zu sehen ist eine Menschenmenge in einer Straße, die eine Frau umringt. Die Frau ist kahlgeschoren und trägt ein Baby auf dem Arm. Diese Frau mit dem geschorenen Kopf heißt Simone.

Dieses Bild hat den französischen Geschichtslehrer Gérard Leray auf Nachfrage eines seiner Schüler dazu verleitet, Recherchen über die Frau auf dem Foto anzustellen, um mehr über ihr Leben und ihr Schicksal zu erfahren. Dazu ging er in verschiedene Archive in Frankreich, Deutschland und in den USA. Was er dort herausfand, überraschte den Autor. Simone entschied sich nach der Schule freiwillig dazu, für die deutsche Wehrmacht zu arbeiten, da sie eine Anhängerin der nationalsozialistischen Ideologie war. So lernte sie den deutschen Soldaten Erich Götz, gebürtig aus Künzelsau, kennen. Schnell wurde aus den beiden ein Paar, was bei der Bevölkerung von Chartres nicht gut ankam. Eine Französin zusammen mit einem Deutschen, dem Feind, das war zu dieser Zeit unvorstellbar. Aus diesem Grund durften die beiden auch nicht heiraten, selbst als Simone schwanger wurde. Doch Erich Götz sollte nie die Möglichkeit bekommen, sein Kind kennenzulernen, denn er starb an der Front in Russland.

Für ihre Zusammenarbeit mit den Deutschen und ihrer Beziehung zu Erich Götz wurde ihr am Tag der Befreiung Chartres als Strafe öffentlich der Kopf geschoren. Diese Demütigung verfolgte sie ihr Leben lang und trotz einer Heirat mit einem Franzosen litt sie an Depression und Alkoholproblemen, welche zu ihrem frühen Tod führten.

Gérard Leray lud die Schüler während seines fesselnden und leidenschaftlichen Vortrags immer wieder ein, ihm Fragen zu diesem Thema zu stellen. Auf die Frage, wieso er sich ausgerechnet auf diesen Teil der deutsch-französischen Geschichte konzentrierte, antwortete er, dass er allen zeigen wolle, dass der Krieg nichts Schönes sei: „La guerre est moche“ (zu Deutsch: Der Krieg ist hässlich), so der Franzose. Wir seien dafür verantwortlich, dass so etwas nicht noch einmal passiere. Dank des Vortrags von Gérard Leray erkannten zudem die Schülerinnen und Schüler der Kursstufe 1, dass sie keinerlei Probleme haben, dem Vortrag eines Franzosen in französischer Sprache zu folgen und mit diesem ins Gespräch zu kommen.

Emely Schwarz, Nina Stirnkorb