Fünf Methoden, Goethes „Faust“ zu verunstalten

Die Mittel- und Oberstufen-Theater AG des Gymnasiums bei St. Michael inszenierte:
„Das Faustspiel“ (von Matthias Hahn)

Ein Gespräch – mitgehört im Lehrerzimmer – am Tag nach der Premiere: „Das Theaterstück gestern, wieder grandios und so witzig inszeniert, besonders der Paul, wie irre überzeugend der seinen Wahnsinn zum Ausdruck brachte!“ Entgeisterter Blick des Zuhörers, der wohl die Aufführung verpasst hatte, und dann dessen Reaktion: „So viel ich weiß, kommt doch im „Faust“ kein Paul vor!“
Doch! In diesem „Faustspiel“ kommt nicht nur der verrückte Paul (Leandro Stark), der immer nur den „Schlimmanski“ spielen und das organisierte Verbrechen besiegen will, vor. Auch seine „Freunde“, eigentlich seine Pfleger, die ihn betreuen, seine Mutter, eine überdrehte Kulturreferentin namens Dr. Hubschmitt (Lea Hägele), eine Theaterkritikern mit Namen Frau Fink (Sevim Rinke), eine Frau Bürgermeisterin (Helen Lederer) und sogar der Chefarzt einer Nervenklinik, Dr. Strolch (Cedric Wüst) gehören zum Spiel auf der Bühne und natürlich die Schauspieler, die „Faust“ selbst spielen.
Eine turbulente Satire auf den modernen Theaterbetrieb, die durchaus Parallelen zum „Faust“-Klassiker aufweist.

Worum geht es? Motor des Ganzen ist der überdrehte Karl Zipfelmayer, genannt Z (Tim Gehrke), der als verkannter Regisseur sein „Faust“-Projekt hoch modern auf die Bühne bringen will. Endlich soll einmal eine Aufführung entstehen, die „Faust“ „in seiner wahren Bedeutungsvielfalt, in seiner wirklichen seelischen Dimension“ zum Ausdruck bringen soll. Er erklärt: „Wir lassen die ganzen Massenszenen weg und konzentrieren uns auf den psychologischen Gehalt des Stücks.“ Natürlich soll auch ein nackt auftretendes Gretchen dazugehören, weil „mit der Nacktheit die Tugend ihre Wehrlosigkeit in der kapitalistischen Gesellschaft demonstriert“. Z möchte den Text weitgehend auf „Sphärenklänge“ reduzieren. Doch als er gerade dabei ist, die Sphärenklänge üben zu lassen, das Publikum in der Aula singt mehr oder weniger stimmsicher mit, mischen sich die kleinstädtischen Sponsoren und Honoratioren ein. Sie freuen sich, „endlich wieder etwas Anderes als diesen modernen Unsinn“, wie es die Kulturreferentin ausdrückt, geboten zu bekommen. Z muss sich den Ansprüchen der Geldgeber beugen. Sogar den irren Sohn Paul muss er mitspielen lassen, damit ihm nicht jegliche Unterstützung gestrichen wird. Also geht Z einen Pakt mit denen ein, die ihn finanzieren. Tobend vergleicht er sich mit Faust, der Mephisto seine Seele verkauft. Um seinen Vertrag zu retten, geht er eine Wette mit Frau Dr. Hubschmitt ein, die behauptet, dass jeder der Anwesenden „Faust“ besser inszeniere als er. Diese Wette nimmt Z an und die Szenen werden unter den Konkurrenten verteilt. So kommt es zu fünf verschiedenen Möglichkeiten, Goethes Faust zu „verunstalten“.
Eine chaotische Inszenierung beginnt, nicht immer ist jedem im Publikum der Zusammenhang klar, was beabsichtigt war. Und eines ist sicher: Dies war eine der besten Aufführungen, die die Theater AG unter Leitung von Myriam Kossak auf die Bühne gebracht hat. Z schmetterte seine Wut ausdrucksstark über die Bühne. Frau Dr. Hubschmitt konterte stimmgewaltig, um ihr Durchsetzungsvermögen zu unterstreichen. Nicht nur dieser großartige Wortwitz brachte das Publikum immer wieder zum Lachen. Die gesamte Aufführung der über 30 Beteiligten (eine Nennung aller ist gar nicht möglich) strahlte eine enorme Spielfreude und ein großartiges Engagement aus und übertrug sich auf die Zuschauer. Untermalt wurde die Stimmung mit Live-Musik von Andreas Knoblich am E-Piano; die Bühnentechnik AG setzte gekonnt Lichteffekte ein, akrobatisch-turnerische Einlagen ließen Szenen beeindruckend im Zeitlupentempo ablaufen.


Und die Frage bleibt, wer denn der Wahnsinnigste von allen ist. Paul aus der Nervenklinik, der übergeschnappte Z oder der Psychiater Dr. Strolch selbst? Am Ende ist alles anders als gedacht.
Den Darstellern, die für grandiose Unterhaltung sorgten, wurde mit heftigem Applaus vom Publikum gedankt. Großes Lob gab es von Schulleiter Frank Nagel für alle an der Aufführung Beteiligten für diesen köstlichen Bühnenabend.